F.A.Z., 19.07.2022 (Rhein-Main-Zeitung)

Nicht dringlich

Streit um Kritik an türkischen Angriffen

Das Vorgehen der Türkei gegen Kurden im Norden der Nachbarländer Syrien und Irak beschäftigt die Frankfurter Kommunalpolitik. Die Vorsitzende des Freundschaftsvereins Frankfurt-Kobane, Bianca Winter, hat die Entscheidung des Ältestenausschusses kritisiert, Anträge der Linken und der CDU zu diesem Thema nicht kurzfristig auf die Tagesordnung der Stadtverordnetensitzung zu setzen. Die Koalition aus Grünen, SPD, FDP und Volt verneinte ebenso wie BFF-BIG die Dringlichkeit.

Die Linke möchte, dass die Stadtverordneten die Angriffe auch mit Blick auf in Frankfurt lebende Kurden und regierungskritische Türken als „völkerrechtswidrige Kriegshandlung“ verurteilen. Im Antrag der CDU sind kurdische, alevitische, jesidische und christliche Volksgruppen in Syrien und Irak
als Opfer des Kriegs genannt. Zudem wird ausdrücklich die Unterstützung des Vereins Städtefreundschaft Frankfurt-Kobane gefordert.

Vereinssprecherin Winter macht für die Ablehnung der Dringlichkeit Grüne und FDP verantwortlich, „für die es offenbar zweierlei Völkerrecht gibt“. Sie zieht einen Vergleich zur Ukraine-Resolution vom Februar. Es sei ein „Ausdruck krasser Doppelmoral“, wenn der Aggressor Putin verurteilt und der Aggressor Erdogan verschont werde. Im Ältestenausschuss hatte der FDP-Fraktionsvorsitzende Yanki Pürsün die fehlende Dringlichkeit damit begründet, Krieg und Bürgerkrieg in Syrien gebe es seit elf Jahren und der Freundschaftsverein mit Kobane bestehe schon seit 2016.

Dagegen sagte Linken-Fraktionschef Michael Müller, es gehe um konkrete Angriffe auf unabhängige Gebiete, für die Erdogan wegen der NATO-Erweiterung einen Freibrief bekommen habe. Die Römer-Koalition habe ein starkes Signal verhindert. Inzwischen haben SPD und Volt in eigenen Mitteilungen die Militäroffensive in Nordsyrien und Nordirak „auf das Schärfste“ und als völkerrechtswidrig verurteilt.

Das sähen die Grünen nicht grundsätzlich anders, sagt die Fraktionsvorsitzende Tina Zapf-Rodriguez. „Der Vergleich zur Ukraine-Resolution führt in unseren Augen in die Irre, da diese durch die zu erwartenden zahlreichen ukrainischen Geflüchteten in Frankfurt einen sehr starken kommunalen Bezug hatte.“ Das Thema sehe man daher auf Parteiebene besser angesiedelt. Am 6. Juli war die Grünen-Geschäftsstelle von Aktivisten besetzt worden, die gegen die Militäraktion protestierten. bie.