Frankfurt am Main, 20. Februar 2020
Rundschreiben an die Mitglieder und Spender*innen des Vereins
Beleg über Zahlungen von Spenden und Mitgliedsbeiträgen in 2019
Liebe Mitglieder und Unterstützer*innen,
Ihnen und allen, die unsere Arbeit im letzten Jahr wieder in so vielfältiger Weise, vor allem finanziell und ideell, umfangreich unterstützt, die auf unsere Aufrufe reagiert haben undInformations- und Protestveranstaltungen besucht haben – Ihnen allen danken wir sehr herzlich! Mit Ihrer Hilfe konnten wir und unsere Partnerorganisation Stiftung der freien Frau in Rojava/Syrien unsere Arbeit in 2019 erfolgreich fortsetzen.
In 2019 haben wir Spenden in Höhe von 30.692,33 € eingenommen. Hinzu kommen 1.920,00 € an Mitgliedsbeiträgen sowie Honorare für Vorträge in Höhe von 300 €. Davon konnten 29.390,54 € an die Stiftung der Freien Frau in Rojava/Syrien (WJAS) übergeben werden. Die Ausgaben des Vereins für Öffentlichkeitsarbeit lagen in 2019 bei 2 %, für Fahrt-, Miet- und sonstige Kosten bei 0,7 % des Budgets. Alle Arbeiten werden ehrenamtlich geleistet.
In 2019 konnte die Kooperation mit der Stiftung der freien Frau in Rojava/Syrien fortgesetzt werden. Diese hat ihre Aktivitäten in der Stadt und dem Kanton Kobanê weiter ausgebaut: Neben dem Waisenhaus Alan’s Rainbow und dem dort angegliederten Kindergarten gibt es vor Ort jetzt auch ein Büro der Stiftung für koordinierende Aufgaben. Die Bibliothek, die 2018 durch eine Spende von Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann gefördert wurde, und ein Frauenbildungszentrum im zweiten Gebäudekomplex wurden in Betrieb genommen.
Erste Kurse zur Ausbildung von Erzieherinnen, Krankenpflegerinnen und Gesundheitsarbeiterinnen wurden durchgeführt, ebenso finden Alfabetisierungskurse für Frauen und für Kinder im Schulalter statt, die kriegsbedingt bislang die Schule nicht regulär besuchen konnten. Die Kinder im Waisenhaus werden umfangreich betreut, seit einiger Zeit arbeitet auch eine Psychologin im Team. Die Kinder können über ihre schwierigen Erlebnisse sprechen und sie lernen ihre Gefühle und ihre Situation besser kennen und verstehen. Dadurch konnten sie sich deutlich stabilisieren. Es gibt vielfältige Aktivitäten mit den Kindern, so haben sie die Kulturtage in der Stadt besucht und nehmen an Kunst- und Musikkursen teil. Für die (mittlerweile) älteren Jungen soll es einen eigenen Bereich im Haus geben.
Im Sommer erreichte uns die dringende Bitte der Frauenstiftung, sie bei der Rückzahlung eines Kredits der Stadtverwaltung Kobane zu unterstützen. Ein Spendenaufruf erbrachte in kurzer Zeit die Summe von 10.000,00 €. Auch an dieser Stelle nochmal ein besonderes Dankeschön für Ihre schnelle Hilfe!
In 2019 haben wir wieder in vielfältiger Weise über unsere Arbeit und die Selbstverwaltung in Nordostsyrien informiert. Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit nahmen wir an Veranstaltungen in Frankfurt wie dem 1. und 8. Mai oder dem Ostermarsch teil und waren auf dem Sommerfest im Riederwald mit unserem Info-Tisch präsent. Wir wurden zu zwei Veranstaltungen von Flüchtlingsräten in Eschborn und Friedrichsdorf eingeladen, um über die Lage in Rojava und unsere Arbeit zu berichten; im Juli führten wir eine Informationsveranstaltung mit dem Arzt Dr. Michael Wilk durch, der regelmäßig die Region besucht und dort auch medizinisch tätig ist. Auf dem Antikriegstag am 1. September konnten wir einen Redebeitrag halten und wiesen auf den seit Ende 2018 drohenden Überfall der Türkei auf Nordsyrien und die Notwendigkeit eines sofortigen Stopps der Waffenlieferungen an die Türkei hin.
Besonders erwähnen möchten wir die Veranstaltung zum internationalen Kobane-Tag am 1. November, die wir zusammen mit dem kurdischen Verein, dem kurdischen Frauenrat Amara, den kurdischen Studierenden und #Defend Rojava durchführten. Unter dem Titel „Für Freiheit und Frieden: Türkei und Dschihadisten raus aus Rojava!“ wurden verschiedene Redebeiträge gehalten und das Lale Kocgün-Ensemble bereicherte den Abend musikalisch. Die
Intergrations- und Bildungsdezernentin Sylvia Weber fungierte als Schirmherrin der Veranstaltung und hielt ein bewegendes Grusswort. Ahmed Sheikho aus Kobane, Vertreter der demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien, konnte ihr im Namen der Selbstverwaltung ein Geschenk überreichen und verband dies mit einer Einladung nach Kobanê. Wir hoffen, dass dieser Besuch eines Tages möglich sein wird! Über 300 Menschen nahmen an der Veranstaltung teil und auch hier waren wir von der großen Spendenbereitschaft überwältigt: 2.050 € konnten für die medizinische Nothilfe an den Kurdischen Roten Halbmond (Heyva Sor a Kurdistanê) überwiesen werden.
Lange Zeit haben wir – mit Unterstützung der Fankfurter Integrations- und Bildungsdezernentin Sylvia Weber – versucht, ein Visum für Ahmed Sheikho zu bekommen. Wer jemals mit einem solchen Antragsverfahren zu tun hatte, weiß, wie äußerst schwierig dies sein kann, insbesondere, wenn der Gast aus einer Kriegsregion kommt und Vertreter einer international nicht anerkannten Selbstverwaltung ist. Auch wenn das Visum aufgrund bürokratischer Hürden am Ende nicht erteilt wurde, möchten wir uns doch an dieser Stelle ganz herzlich bei Sylvia Weber und ihrem Team bedanken, die, in ständigen und engem Kontakt mit uns, intensiv versucht haben, Ahmed Shekho nach Frankfurt zu holen! Letztlich erhielt er eine Einreisegenehmigung und wir konnten ihn Anfang November in Frankfurt empfangen. Zunächst fand ein Gespräch im Frankfurter Rathaus Römer mit den Stadtverordneten verschiedener politischer Parteien statt, die sich aus erster Hand über die Situation nach der Invasion der Türkei in Nordsyrien informieren wollten. Mit ihnen möchten wir auch zukünftig in Kontakt bleiben, um weitere Unterstützungsmöglichkeiten durch die Stadt Frankfurt auszuloten.
Wir möchten auch auf die stete Unterstützung des alternative Buchladens ‚Land in Sicht‘ hinweisen: Er stellte über Monate hinweg einen Informationsschwerpunkt bereit und sammelte Spenden und Bücherspenden für eine befreundete Bücherei und die Stadtbücherei in Kobanê.
Der direkte Austausch mit Kobane war im vergangenen Jahr deutlich erschwert. Eine lange und aufwändig geplante Einladung einer Delegation der Stadtverwaltung Kobane kam schließlich aufgrund bürokratischer Hürden im Irak nicht zustande (s.o.). Die Traumapädagogen erhielten im Herbst keine Reisegenehmigung und konnten das abschließende fünfte Modul ihrer traumapädagogischen Fortbildung vor Ort nicht durchführen. Das Embargo wurde verschärft. Von internationalen Verhandlungen wurde die Vertretung der Selbstverwaltung in Nordostsyrien ausgeschlossen, sie führten zu keinem Ergebnis, das die drohende Aggression der Türkei hätte abwehren können. Im Oktober begann dann der Einmarsch des türkischen Militärs und djihadistischer Söldner in Nordsyrien. Hunderttausende Zivilisten flüchteten in die südlichen Landesteile. Das Waisenhaus wurde für zwei Monate evakuiert. Die Kinder sind, nachdem sich die Situation stabilisierte, mittlerweile zurück in Kobane (s.o.). Der Krieg konzentriert sich auf entferntere Landesteile im Gebiet um Sere Kaniye (Ras al-Ayn), Gire Spi (Tel Abyad) und Ain Issa. Der erst zum Jahresbeginn territorial besiegte Islamische Staat (IS) ist dabei, wieder zu erstarken. So gibt es wieder vermehrt Autobomben- und Selbstmordanschläge mit hohen Opferzahlen. Die Sicherheits- und Versorgungssituation in den Flüchtlingslagern ist äußerst
schwierig.
Die Menschen im Gebiet der Selbstverwaltung verteidigen ihr politisches System mit seinen Errungenschaften der Frauenbefreiung, der Multikulturalität und -ethnizität. Ihr Kampf für Frieden und ein System ohne Korruption wird von den involvierten Großmächten Russland und USA nicht unterstützt, die Europäische Union und Deutschland halten zuallererst am Flüchtlingsdeal mit der Türkei fest. Es ist deutlich: Von dieser Seite gibt es keine ernsthafte Bemühung um Frieden in der Region. Wie so oft in der Geschichte versprechen Krieg und Destabilisierung das größere Geschäft. Die Menschen in Nordsyrien zahlen den hohen Preis.
Unser Verein beteiligt sich auch weiterhin an den laufenden Kosten für das Waisenhaus. Im November beschlossen wir als nächstes gemeinsames Projekt die Unterstützung für die Anschaffung einer mobilen Klinik für die Stadt und das Umland von Kobane. Damit soll die medizinische Versorgung vor allem für Frauen, Kinder und alte Menschen, die weniger mobil sind, sicher gestellt werden. Hinzu kommt die dringend notwendige Versorgung von ca. 12.000 Flüchtlingsfamilien in der Region.
Die Jahresmitgliederversammlung des Vereins im Februar 2019 entlastete und bestätigte den Vorstand.
Der Verein Städtefreundschaft Frankfurt-Kobanê ist Teil des Entwicklungspolitischen Netzwerkes Hessen (EPN). Bundesweit sind wir mit Rojava Solidaritätsgruppen vernetzt, im April nahmen wir an einem gemeinsamen Treffen teil. Kooperationspartner in Frankfurt und Region sind die ‚Welle‘, Hanau, Träger der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe und LAGG eV Frankfurt, Leben und Arbeiten in Gallus und Griesheim. Wir stehen im Austausch mit medico international und dem Verein „Armut und Gesundheit“ in Mainz.
Auch in 2020 werden wir unsere Arbeit im Sinne der Information über Nordostsyrien und für Völkerverständigung fortsetzen und hoffen auf Ihr reges Interesse und Ihre Solidarität mit den Menschen ind Nordostsyrien.
Unterstützen Sie unsere Arbeit bitte auch weiterhin!
Unser Spendenkonto:
Städtefreundschaft Frankfurt-Kobane e.V.
Frankfurter Volksbank eG
IBAN DE66 5019 0000 6200 9082 42
BIC FFVB DE FF
Mit solidarischen Grüßen
Bianca Winter
(Vorstand)